Alpenüberquerung – hoch hinaus und weit hinüber

Wir müssen unseren Kindern und Jugendlichen unsere Welt zeigen und bekanntmachen, damit sie selbst in der Lage sind sie zu gestalten. Sie müssen erfahren dürfen, dass sie das, was sie sich vornehmen, schaffen können und etwas verändern können. Die Teilnehmer*innen der Alpenüberquerung haben ein ganzes Land durchquert, tausende an Höhenmetern bewältigt, Gipfel und Täler hinter sich gebracht und haben ca. 170km in 6 Tagen zurückgelegt; was könnte sie in Zukunft noch aufhalten?

Unsere Alpenüberquerung startete mit unserem Bergführer Alex von der Alpinschule Augsburg bei sengender Hitze in der Spielmannsau in Oberstdorf. Der steile Weg führte uns entlang der Trettnach den wilden Sperrbachtobel hinauf bis zur Kemptner Hütte auf 1842m. Die Herausforderung, nicht nur mit den hohen Temperaturen umzugehen, sondern auch mit einem einheitlichen Tempo den Berg zu besteigen und dazu unsere Pausen abzustimmen, meisterten wir mühelos.

Oben angekommen wartete die erste Regeneration mit gutem Hüttenessen und Spielen in geselligen Runden. Wir machten es uns unter dem Dach in unserem Bettenlager gemütlich und stimmten uns gemeinsam auf die kommenden Tage ein. Von der Kemptener Hütte führte uns der Weg am kommenden Morgen am Grenzstein zu Österreich vorbei und wir verließen die Bundesrepublik Deutschland in strömendem Regen. Unser Zwischenziel, der Ort Holzgau, lag talwärts auf der anderen Seite einer Klamm, die nur von einer Hängebrücke überspannt war, welche 105m über dem Tal hing.

Nach einer kurzen Rast und einer kleinen Stärkung folgte ein viel zu früh endender Bustransfer, welcher uns wegen einer Baustelle zusätzliche 2 1/2h und weitere 400 Höhenmeter zu Fuß einbrockte. Als wir schließlich vom Ort Kaisers aus aufbrachen, um das Kaiserjoch Haus zu erreichen, ahnten wir nicht, dass wir noch über enge Serpentinen und über reißende Bäche schreiten mussten. Gemeinsam bewältigten wir auch diese Hindernisse, passierten die ersten Schneefelder und ruhten alsbald zu Nacht, beschützt vom Hüttenhund Shaila, auf 2310m Höhe.

Der Morgen brachte uns einen schlammigen Abstieg und wenig Sicht. Es zeichnete sich ab, dass wir uns weniger auf gleichbleibende Bedingungen einstellen konnten und Anpassungsfähigkeit geboten war. Mit zunehmenden Herausforderungen wuchs gleichsam der Zusammenhalt in der Gruppe. Nach dem Abstieg brachte uns ein planmäßiger Bustransfer nach Landeck.

Hier trafen wir Lisa, unsere zweite Bergführerin, die uns ab dem Folgetag leiten sollte. Wir stiegen in nun geübter Ordnung, langsam und stetig durch enge Waldwege, unterbrochen von malerischen Almwiesen, schließlich über Pferdekoppeln zur Skihütte Zams in 1780m Höhe auf.  Hier begrüßte uns ein wundervolles Alpenpanorama bei unvergleichlichem Weitblick.

Für andere Gruppen sorgte unsere Heiterkeit auch nach den Strapazen der bereits zurückgelegten Etappen immer wieder für Erstaunen. Wir erfreuten uns an respektvollen Blicken, jubelnden Zurufen und auch der Gewissheit, dass wir mit ihnen eine Herausforderung teilen. Wiederkehrende Begegnungen mit verschiedenen anderen Alpinist*innen zeigten uns, dass nicht nur wir einem Ziel folgten und wir über unseren Weg mit anderen fremden Menschen zumindest für den Zeitraum von einer Woche verbunden waren.

Eine Gondel brachte uns zu einem erholsamen und gleichsam atemberaubenden Höhenweg. In Wenns stiegen wir ab mit dem Pitztal im Blick. Im Gletscherstübele rasteten wir und sammelten unsere Energie für den kommenden Aufstieg entlang eines gewaltigen Wasserfalls zur Braunschweiger Hütte auf 2759m Höhe. Wir ließen das Geröll der sommerlich zweckverweisten Skipiste hinter uns, trotzten der Sonne, rüsteten uns mit Steigeisen für Schneefelder aus und sehnten uns nach der wohlverdienten Sicht auf die Hütte.

Die Freude und der Stolz auf das Geleistete war überwältigend, als wir feiernd und uns teilweise in den Armen liegend unser Tagesziel erreichten. Die Sonne verneigte sich alsbald vor unserer Leistung und belohnte uns mit einem der schönsten Sonnenuntergänge. Umgeben von grauen Giganten waren wir vergleichsweise klein, dennoch galt unser aufwärtsgewandter Blick dem Kamm, der die morgige Herausforderung bieten sollte.

In aller Frühe richteten wir gut gelaunt und erholt unsere Aufmerksamkeit auf das Vorunsliegende. Ein Helikopter, der zwei Wanderer von der Hütte abholen musste, zeigte uns, dass unser Unterfangen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen war. Unbeirrt davon belasteten wir unsere Schultern allerdings nur mit unseren zur Gewohnheit gewordenen Rucksäcken und gingen selbstbefreit und sicheren Trittes über den Kamm, querten ihn ostwärts und stiegen über ein großes Schneefeld ins Ötztal ab.

Ein märchenhafter Höhenweg brachte uns der letzten Hüttenübernachtung auf der Martin-Busch-Hütte näher. Bei stetiger Steigung trugen uns unsere Füße am Lauf des Schalfbaches entlang, dem Alpenhauptkamm und somit der österreichisch-italienischen Grenze entgegen. Der erbarmungslos gradlinige und sehr lange Weg konnte unsere Entschlossenheit nicht brechen. Wir verweigerten uns der schlechten Stimmung und genossen unseren Zusammenhalt oben angekommen in unserem gemeinsamen Bettenlager unter dem Hüttendach, unweit der Fundstelle der Gletschermumie Ötzi.

Ein letzter Anstieg vorbei am Fundort diesen Teils der Menschheitsgeschichte läutete für uns das letzte Kapitel unserer eigenen Wanderschaftsgeschichte auf über 3000m Höhe ein. Eine mittlerweile eingeschworene Gemeinschaft hatte nun den höchsten Punkt des Unterfangens erreicht. Von der Similaun-Hütte am Niederjoch auf 3019m Höhe aus überschritten wir die Grenze nach Italien. Als unsere Bergführerin ein paar Stunden später auf italienischer Seite einen Stein zu unseren Füßen als symbolisches Ende unserer Alpenüberquerung benannte, hatten wir unsere Herausforderung gemeistert und waren von nun an Alpenüberquerer*innen.

Am Pool unseres Hotels in Meran badeten wir nicht nur in den Eindrücken unserer Reise. Noch immer nicht müde flanierten wir durch die warme Nacht der Stadt in Südtirol. Die Zugreise heimwärts verging wie im Fluge und gemeinsam trafen wir uns dort, wo unsere Reise begann, am Augsburger HBF noch einmal im schulterschließenden Kreis.

Sechs Tage waren vergangen und jeder der Teilnehmer*innen wird andere Erinnerungen, Eindrücke und ganz persönliche geschenkte Momente mitnehmen. Was wir am Ende unserer Reise besprachen, als wir darüber in großer Runde reflektierten, was wir eben nun in unseren „Rucksäcken“ mitgenommen haben, bleibt unser persönliches Geschenk an uns selbst. Ihr Leser*innen müsst euch mit einem Reisebericht begnügen.

Vielen Dank an die Schöffel Stiftung, die unsere Alpenüberquerung mit einer Spende unterstützt hat!